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AutorenbildMaren

Wenn Kinder die Schreibwut packt

Maria Montessori beobachtete bei einigen Kindern im Alter von 4 Jahren ein großes Interesse an Schrift und Buchstaben. Sie schrieb später in vielen Büchern von einer sogenannten Schreibwut, von denen die Kleinen urplötzlich gepackt werden.

Als ich diese Texte das erste mal las, konnte ich mir schwer vorstellen, dass Kinder in diesem Alter tatsächlich vom Schreiben fasziniert werden könnten. Doch zu meiner Überraschung begann genau zu diesem Zeitpunkt auch bei meinen Töchtern wie aus dem Nichts ein gesteigertes Interesse an der Bedeutung der Schrift.

Zuerst wollte sie nur den Namen ihrer Puppe geschrieben bekommen. Das Wort ELISA schrieb ich nun tagtäglich auf ein gemaltes Blatt Papier, einen Schnipsel oder im Sand. Doch nach ein paar Wochen kam mein Kind plötzlich mit einem Zettel, wo eben dieses Wort stand, was sie selbst geschrieben hatte. Natürlich waren wir Eltern völlig aus dem Häuschen und lobten sie und freuten uns. Das hatte zur Folge, dass ELLA nicht nur auf dem Papier stand, sondern überall. Auf der Kinderküche, der Brotdose, dem Kindertisch. Nichts war mehr sicher.

Es war wie ein Durchbruch im Kopf. Sie hatte eine neue Art der Kommunikation entdeckt und bemerkt, dass sie diese auch beherrschen lernen kann und sie nicht nur uns Erwachsenen vorbehalten war. Nun fragte sie, wie ihr Name geschrieben wurde, wie man Mama und Papa schrieb und es entwickelte sich eine riesige Freude am Mitteilen durch die Schrift.


Von einigen Seiten wurde mir geraten, nicht zu viel Input zugeben , da sich sich sonst in der Schule langweilen könnte. Doch sollte ich sie in ihrem Eifer wirklich ausbremsen? Ist nicht genau das das nachhaltigste Lernen überhaupt, wenn man es mit Freude und innerem Antrieb tut? Wir begleiteten sie also weiter. Gemeinsam schrieben wir Geburtstagskarten, Briefe oder Einkaufszettel. Es war wie ein Meer voller Wellen. Mal hatte sie riesige Lust zum Schreiben, mal weigerte sie sich auch nur einen Buchstaben zu schreiben. Da uns nichts drängte, lies ich sie einfach ziehen und siehe da Wochen später zeigte sie wieder diese riesgie Freude daran.

Da ich mein erst 4 jähriges Kind nicht zu schnell in die analytische Welt ziehen wollte, sondern auch beim Erlernen der Schrift die Fantasie und Bilderwelt erhalten wollte, bediente ich mich einiger Anregungen aus dem Bereich der Waldorfpädagogik. Hier werden die Buchstaben mit Geschichten und Bildern eingeführt.

Die Pädagogin Babette Heuer schrieb 2011 das Buch: "Die wunderbare Reise durch die Welt der Buchstaben: Schreiben lernen mit Jolka und Jauko".



Eine, wie ich finde, wunderbare Methode mit den Kindern Buchstaben gemeinsam und fantasievoll einzuführen. In diesem Buch wird genau beschrieben, wie die Einführung umgesetzt werden kann, sodass auch Eltern die Möglichkeit haben, die Schreibfreude aufzugreifen und gemeinsam zu erlernen. Die Vokale (a,e,i,o,u) werden über Stimmungen erklärt, wohingegen die Konsonanten über direkte Bilder erklärt werden. (L wie Licht, P, wie Pilz).

Ich habe dieses Buch als Anregung genutzt und einiges für mich verändert. So ist es mir wichtig gewesen mit den Großbuchstaben auch die Kleinen einzuführen. Sobald die Kinder die Buchstaben kennen, schauen sie auch in Büchern und Texten nach Worten, die sie erkennen könnten. Das gelingt selten, wenn die Kleinen Buchstaben unbekannt sind.

Wir haben uns ein weißes Notizheftchen genommen und es von außen als "Buchstabenheft" beschriftet. Zu Beginn jedes Buchstaben haben wir die Geschichte gelesen und dann das Bild dazu gemalt. Hier können die Kinder die Geschichte noch einmal nachspüren und das Erzählte verinnerlichen. Im Anschluss habe ich auf die nächste leere Seite den Buchstaben groß geschrieben. Dabei habe ich laut die Schreibrichtung mitgesprochen. Meine Tochter bekam viele bunte Wachsmalstifte und durfte den Buchstaben nachspuren. Dabei wird die genaue Schreibrichtung erlernt, was sehr wichtig ist, um in der Schule nicht einen falsch einstudierten Buchstaben neu erlernen zu müssen.



Sobald der Buchstabe 4-5 Mal nachgespurt wurde konnte sie alleine los und das ganze Blatt mit bunten Exemplaren des erlernen Buchstabens versehen. Erst danach haben wir überlegt, welche Wörter wie z.B. mit A kennen und haben sie aufgeschrieben. Dabei kann man je nach Motivation des Kindes sie selbst schreiben lassen und die Buchstaben genau vorschreiben oder als Erwachsener schreibt man alle Buchstaben außer das A. Zu jedem Wort wird ein Bild gemalt oder etwas geklebt. So bleibt das Erlernte im Gedächtnis.

Besonders spannend waren für mich die Tage nach dem Start dieser Methode. Von nun an kam mein Töchterchen zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten plötzlich angesaust und rief: "Mama, Mama, A, wie Affe. Wir müssen noch Affe aufschreiben." Durch meine Begeisterung ließ sie sich natürlich anstecken und brachte nun immer neue Wörter nach Hause. So hatten wir über die Woche gut zu tun alles aufzuschreiben und zu malen, ehe wir zu einem neuen Buchstaben übergingen.



Die Freude des Schreibenlernens aufzugreifen macht durchaus Sinn, denn alles was der Mensch mit Begeisterung lernen will, lässt sich viel schneller im Gehirn verankern, als wenn man durch äußeren Zwang lernen muss. Dennoch ist es wichtig, gerade in diesem Alter kein Kind zu überreden oder zu zwingen. Es reicht völlig aus, wenn ein Kind die ersten Buchstaben in der Schule lernt. Kinder müssen spielen und frei sein und nichts anderes ist nachhaltiger in der Entwicklung der kleinen Persönlichkeiten.

Jedes Kind lernt anders und zeigt auf seine Art und Weise Begeisterung für die Welt der Schrift. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, keinen Druck hineinzulegen, nur weil ein anderes Kind das Schreiben schon kann. Doch wenn ihr merkt, dass euer Kind so fansziniert davon ist, dann sucht nach einer spielerischen, fantasievollen Methode um die Freude zu erhalten. Achtet auf die richtige Schreibweise der Buchstaben, damit keine Frustration in der Schule entsteht, wenn es alles umlernen muss. Und lasst jede Phase der Unlust zu, sodass es von selbst wieder zum Schreiben finden kann. So bleibt die Freude erhalten.


Literaturhinweis: Babette Heuer: "Die wunderbare Reise durch die Welt der Buchstaben: Schreiben lernen mit Jolka und Jauko", 2011, Verlag edition Waldorf.

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